Historie
Historisches zur Heimbach-Weiser Fassenacht
Bei vielen großen Ereignissen der Geschichte liegen die Anfänge meistens im mythologischen Dunkel. Dies gilt auch für die Heimbach-Weiser Fassenacht. Wann die ersten Fassenachtsgecken durchs Dorf zogen, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Doch einige Anhaltspunkte lassen vermuten, dass dies schon in grauer Vorzeit passiert sein muss. Sicher ist jedenfalls, dass in unserer Region im Jahre 1583 einige Fastnachtsgecken erheblich über die Stränge schlugen und vom Erzbischof und Kurfürst Johann in die Schranken gewiesen wurden:
~Nachdem in unserm Erzstift dieser Missbrauch eingerissen, dass zu Anfang der Fasten und auf den Aschermittwoch ein unziemliches Leben mit Zechen, Saufen, Mummereien, Schwärmen, Tanzen, Tollen und anderem üppigen Wesen getrieben wird, sollte fortan am Aschermittwoch Ruhe einkehren. Ob damit auch Heimbach-Weiser gemeint waren, ist nicht bekannt. Fest steht auf jeden Fall, dass im Bistum Trier das Fastnachtfeiern an sich vom Erzbischof ausdrücklich erlaubt wurde. Nur am Aschermittwoch musste Schluss sein!
Sicher ist auch, dass es in Heimbach im Jahre 1626 einen Fastnachtsdienstag gab. Und zwar am 24. Februar. An diesem Tag zertrümmerten nämlich zwei Kompanien nassauischer Soldaten die Inneneinrichtung des Heimbacher Pfarrers Peter Roscius. Er war darüber so aufgebracht, dass er dies in seiner Pfarrchronik festhielt. Allerdings erwähnte er keine durchs Dorf ziehenden Gecken, aus welchem Grund auch immer. Der erste sichere Beleg dafür, dass hier Fastnacht gefeiert wurde, stammt aus der Zeit um 1638. Bis zu diesem Jahr gab es im Kloster Rommersdorf am Fastnachtssonntag so genannte „Recreationen“. Mit anderen Worten, Fastnacht war für die Mönche in Rommersdorf ein Feiertag mit einem üppigen Mahl vor dem Beginn der Fastenzeit.
Bis zum nächsten Anhaltspunkt vergehen 200 Jahre. Unter der Überschrift ,,Fassenacht 1827″ lädt die Carnevalsgesellschaft Heimbach-Weis zur ersten Sitzung in die Gastwirtschaft von Anton Bemb. Dieser zweiseitige Liederzettel ist das älteste Dokument, das Rückschlüsse über die Anfänge der KG zulässt. Es ist der einzige noch vorhandene Beleg. Aus der Zeit um 1827 sind in den Archiven, mit Ausnahme der Pfarrchroniken, keine Unterlagen mehr vorhanden. Vieles wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Deshalb ist es ein besonderer Glücksfall, dass sich dieser allmählich in seine Einzelteile auflösende Liederzettel bis heute als wichtiges Dokument erhalten hat. Allerdings stammt das gute Stück nicht, wie irrtümlicherweise angenommen, aus dem Jahr 1827, sondern aus den 1870er Jahren. Denn die Gastwirtschaft von Anton Bemb wurde 1874 zum ersten Mal erwähnt. Auch die Verszeile: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall / Herbei! Herbei! zum Carneval!“ (Die Wacht am Rhein) ist ein Hinweis auf die Entstehungszeit nach 1870. Es ist möglich, dass dieser Liederzettel 1877, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Karnevalsgesellschaft entstand.
Seit 1823 sind im Rheinland, ausgehend vom Vorbild Köln, in mehreren Orten Karnevalsgesellschaften entstanden: z. B. 1824 in Koblenz, 1825 in Düsseldorf und 1826 in Bonn. Dazu gehört auch Heimbach und Weis, deren Bewohner für ihren „lebhaften Charakter“ bekannt waren. Schon früher unterschied sich der Ort von anderen Dörfern am Rhein. Obwohl das Kirchspiel keine Stadtrechte besaß, nahmen seine Bewohner wie selbstverständlich das Recht der Befestigung und freien Marktausübung wahr. Heimbach war quasi ein freies Reichsdorf, ein „Kirchspiel ohne Herren,“ und besaß jahrhundertelang seine eigene Gerichtsbarkeit. Die eingesetzten Bürgermeister richteten über „Hals, Leib, Bauch und Gut“.
So ist es auch kein Wunder, dass die unabhängigen und selbstbewussten Heimbacher und Weiser, die sich schon seit Jahrhunderten selbst organisierten, auch früh eine Carnevalsgesellschaft bildeten. Bei diesen ersten Carnevalsgesellschaften handelte es sich nicht um Vereine im heutigen Sinn, sondern um einen Zusammenschluss Gleichgesinnter zwecks (feuchtfröhlicher) Vorbereitung und Durchführung des Karnevalszuges. Nach Aschermittwoch löste sich die Gruppe auf, um sich im kommenden Jahr erneut zu bilden.
Doch zu ihrem Unglück stand die Fassenacht damals unter keinem guten Stern. Denn seit zwölf Jahren regierten die Preußen am Rhein. Dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. waren diese »Carnevalslustbarkeiten“ im Rheinland so zuwider, dass er sie im November 1827 kurzerhand verbot. Im März 1828 musste seine Majestät dieses Verbot allerdings wiederholen, die widerspenstigen Rheinländer schienen sich nicht sehr daran gehalten zu haben. Zwei Jahre später sah sich die Königliche Regierung in Koblenz veranlasst, das Verbot noch einmal nachdrücklich in Erinnerung zu rufen, und zwar im Amtsblatt vom 15. Februar 1830:
Wie Seine Majestät durch allerhöchste Kabinetsorder vom 20. März 1828 zu befehlen geruht hätten, daß Fastnachts-Masqueraden nur in denjenigen größern Städten erlaubt sein sollen, wo sie von Alters her herkömmlich statt gefunden haben; … Wir sehen uns veranlasst, diese allerhöchste Bestimmung in Erinnerung zu bringen, um so mehr, als an einigen Orten die irrige Meinung entstanden ist, als seien kleinere Städte von dieser Bestimmung ausgenommen, da doch im Gegenteil in kleineren Städten und auf dem Lande gar keine, und in größern Städten nur dann öffentliche Masqueraden geduldet werden sollen, wenn sie von Alters her herkömmlich daselbst statt gefunden haben.
Spätestens im Februar 1830 ließ sich dieses Verbot nicht mehr länger ignorieren; nur die großen Städte Köln, Düsseldorf und Koblenz durften weiterhin Fastnachtszüge und Sitzungen abhalten, für alle anderen Orte war erst einmal Schluss mit lustig. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten war es vermutlich auch in Heimbach und Weis an den Fassenachtstagen eher ruhig. Nachdem sich das Misstrauen der Preußen gegen die Rheinländer allmählich gelegt hatte und Normalität einkehrte, kamen die Fastnachtsgecken wieder aus ihren Häusern. Auch in Heimbach und Weis erwachte die Carnevalsgesellschaft zu neuem Leben. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts scheint das Vereinsleben fest etabliert gewesen zu sein. Schriftliche Dokumente sind seit 1880 vorhanden. Es müssen aber auch schon früher Unterlagen existiert haben, beispielsweise sind die seit 1850 obligatorischen Vereinsstatuten, ohne die es keine behördliche Erlaubnis gab, nicht mehr da.
1883 bestand die Carnevalsgesellschaft Weis aus 63 Mitgliedern. Bis zum Jahr 1901 wuchs die Mitgliederzahl der ,,Fastnachts-Gesellschaft Heimbach“ auf 144 Mitglieder. Dies zeugt von einer stark ausgeprägten Karnevalstradition und der festen Verwurzelung der Fassenacht im Dorfleben. Wie man anhand der polizeilichen Genehmigungen von 1883 – 1887 sehen kann, ging der jedes Jahr stattfindende Zug entweder von Weis nach Heimbach und zurück oder von Heimbach nach Weis und zurück. Nur zweimal gab es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg keinen Zug. 1902 verbot ein ominöser ,,man“ den Zug und 1909 konnte mit den Heimbacher Wirten keine Einigung erzielt werden. Und im Jahr 1901 gab es überraschenderweise neben Prinz Johann (Wirz) sogar eine Prinzessin. Alles in allem zeugten die Fastnachtszüge davon, dass sich die Heimbacher und Weiser gern über die Obrigkeit lustig machten und politische Autoritäten verspotteten. Einige ausgewählte Beispiele:
Bewaffnet mit Holzgewehren wollten die Weiser am Fastnachtsdienstag, 6. Februar 1883 losziehen, um die Schlacht von Sedan nachzuspielen. Dafür brauchten sie allerdings die Genehmigung der Polizei. In ihrem Gesuch vom 3. Januar an den Bürgermeister in Engers bat die Karnevalsgeseflschaft um Erlaubnis für,einen Maskenzug durch die Kirchstraße von Weis nach Heimbach und zurück… Zum Schluss wird aufgeführt die Schlacht bei Sedan am so genannten Bitzengraben.“
Dabei sollten Holzgewehre und von den militärisch ausgebildeten Mannschaften Schießwaffen benutzt werden. Des Weiteren beabsichtigten die Mitglieder der Karnevalsgesellschaft in den Wirtshäusern der Witwe von Julius Hoffmann und des Heinrich Billig in den Wochen bis Fastnacht jeweils zwei Sitzungen abzuhalten, um ,diejenigen Mannschaften, die nicht Soldat waren, richtig auszubilden“. War diese Manöverübung nur ein Vorwand, um ihre Sitzungen abhalten zu dürfen? Die polizeiliche Erlaubnis durch den Bürgermeister jedenfalls war eine reine Formsache. Und ob am Bitzenbach ein bisschen Krieg gespielt oder das preußische Militär verspottet wurde, sei dahingestellt.
Voraussetzung für den Fastnachtszug war die behördliche Erlaubnis des Königlichen Amtsbürgermeisters von Engers. Dieser musste jedes Jahr gefragt werden und er konnte seine Erlaubnis auch verweigern, wenn es ,Vorfälle“ gab, wie beispielsweise 1885. Da sah sich nänilich der Vorstand der Carnevalsgesellschaft von Heimbach veranlasst folgendes zu versichern:
daß von der Sache betreffs des Gemeinderaths, welcher mitgenommen werden sollte, worüber wir angeschuldigt wurden, nichts zum Vorschein kommen wird; bitten dagegen gehorsamst das königliche Bürgermeisteramt uns seiner strengen Controlle zu unterziehen.
Was man mit dem Gemeinderat im Fastnachtszug im Schilde geführt hatte, lässt sich nur erahnen. Offensichtlich waren die Heimbacher knapp an einem Verbot vorbeigeschrammt. Zwei Jahre später, 1887, wurde der Vorstand von Heimbach erneut darauf hingewiesen, dass „nichts gegen Sitte und Anstand vorkommt“, andernfalls würde es nämlich keine Erlaubnis mehr geben.
1905 hatte der Heimbacher Zug bereits eine beachtliche Länge. Acht Wagen waren dabei, neben dem Komit&- und Prinzenwagen auch ein ,Prachtwagen Stadt Neuwied“ sowie ein „Charakterwagen Das Eingemeindungsgebrüll“. Lokales Geschehen wurde genauso karikiert wie die große Weltpolitik. Seltsame Vorkommnisse vom Dorf und seinen Bewohnern konnten in den spöttischen Texten der Karnevalszeitung nachgelesen werden oder wurden als Possen in kleinen Theaterstücken persifliert. 1907 wurde beispielsweise die Geschichte des Hauptmann von Köpenick vor der Heimbacher Schule aufgeführt. Zum Gegenstand des karnevalistischen Spotts wurde auch die Neuwieder Verkehrspolitik.
„Heimbachs Zukunft und Verkehr, oder Das Auto wollen wir nicht mehr“ hieß es in der Fastnachtszeitung von 1908:
,Der Wagen das war nämlich ein Automobil
und die Strecke nach dem Kirchspiel, die nahm man als Ziel,
denn man dachte diese Ortschaften sind gleich groß und reich,
die bringen Verkehr und Gelder zugleich…
Nun noch was anders über diese Automobil,
es beschädigt unsere Land- und Dorfstraßen recht viel.
Auch bei regberischem Wetter es die Häuser beschmiert,
wahrscheinlich hat es kein Anstand geliert.
„Mier stüre OOS net dran„, sagten die Gecken aus Heimbach und meinten damit das Karnevalsverbot während der Besatzungszeit nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. 1922 hielten sie es ohne Fastnachtszug nicht mehr aus. Dabei waren sich die Heimbacher der politischen Lage dieser ersten Nachkriegsjahre durchaus bewusst. Sie wurde sogar in einem Lied bei der ersten Damensitzung thematisiert:
,Wir Narren sind die einz’gen Erben, die uns der Fasching aufrecht hielt denn vieles, vieles, ging in Scherben, als wir den großen Krieg verspielt. Wir leben heute allzumal, trotz Strafe feiert Karneval.
Prinz ,August der Starke“ (Busch) übernahm die Macht. Das Problem mit dem wachsamen Auge des Gesetzes löste man auf karnevalistische Art und Weise: Die Gendarmen wurden mit einer List ins Prinzenpalais, die Wirtschaft Engel, gelockt und dort reichlich mit selbst- gebranntem Schnaps versorgt. Danach war es ein leichtes, die Gesetzeshüter einzusperren und loszumaschieren. Aus vielen Häusern strömten die Jecken herbei und schnell formierte sich ein Fastnachtszug mit mehreren Wagen. Es waren einfache, mit Tannengrün geschmückte Leiterwagen. Die Heimbacher wussten sehr wohl, dass sie etwas Verbotenes taten. ,Wir hatten zwar fast nichts zu Essen und kein Geld, aber Fastnacht feiern musste sein, meinte jedenfalls Franz Ley, der damals dabei war.
Allen Verboten zum Trotz ging 1922 in Heimbach ein Karnevalszug, höchstwahrscheinlich der einzige im gesamten Rheinland. Über dieses ungewöhnliche Ereignis aus einem kleinen widerspenstigen Dorf berichtete sogar die Neuwieder Zeitung:
,In Heimbach hatte man, trotzdem karnevalistische Veranstaltungen verboten waren, auf öffentlichen Straßen einen Fastnachtszug veranstaltet, bestehend aus mehreren Wagen, die durch die Straßen des Ortes sich bewegten, trotzdem sich dort ein größeres Landjäger-Aufgebot aufhielt.“
Was nicht in der Zeitung stand, war der genaue Aufenthaltsort der Landjäger. Sie befanden sich zu der Zeit betrunken und eingesperrt im Prinzenpalais! So etwas konnte selbstver ständlich nicht ungestraft bleiben: Die Gesetzesüberschreitung hatte ein gerichtliches Nachspiel. Allerdings fielen die Strafen mit 30 bis 60 Reichsmark glimpflich aus.Doch in den folgenden Jahren war es mit den Fastnachtszügen erst mal vorbei. Fünf Jahre später durften in Köln und Mainz Züge stattfinden. Alle anderen Städte und Dörfer waren von dieser Sondererlaubnis explizit ausgenommen! Dies galt auch für die Karnevalsgesellschaft von Heimbach, die sich mit der Bitte um Genehmigung einer kleinen Rundfahrt an den Koblenzer Regierungspräsidenten wandten. Sie erhielten jedoch am 14. Januar 1927 eine Absage. Damit ließ man sich aber nicht abspeisen. Am 15. Februar fragte der Gewerbebund Heimbach an, ob man eine Kappenfahrt durchführen könne, um den Geschäftsbetrieb wieder in die Wege zu leiten? Der Gewerbebund Weis richtete zusammen mit der Weiser Karnevalsgesellschaft am gleichen Tag eine Anfrage an den Engerser Bürgermeister.
So musste sich dieser vier Wochen später erneut an den Landrat wenden, der das Gesuch an den Koblenzer Regierungspräsidenten weiterleitete.
,Gleichwohl bestehen Antragsteller darauf, dass über den Antrag entschieden wird. Sie bestehen darauf, dass wenigstens gestattet wird, eine Kappenfahrt zu veranstalten.“ Dagegen hätte selbst der Bürgermeister nichts einzuwenden, ,da es sich gerade bei den Bewohnern des Kirchspiels Heimbach und Weis um ein besonders geartetes Völkchen handelt, das bezüglich des Karnevals eigene Anschauungen hat, bis in solche Kreise hinein, die unbedingt sonst ernst zu nehmen sind.“
Doch der Regierungspräsident ließ den Landrat wissen, dass es keine Ausnahmen für Heimbach und Weis gab; das in Berlin verhängte Verbot für Karnevalsveranstaltungen unter freiem Himmel blieb in Kraft!
Ähnlich war es nach dem Zweiten Weltkrieg. Wieder waren französische Besatzungstruppen am Rhein, die den Karneval verboten. 1947 durfte in Heimbach-Weis der erste Zug nach dem Krieg gehen; allerdings mit Einschränkungen: Gesichtsmasken waren verboten. Dumm war nur, dass zu einem Klapperstorchenkostüm natürlich ein Schnabel gehört und der konnte nur vor dem Gesicht angebracht werden. Als nun die französischen Soldaten diesen Klapperstorch sahen, gingen sie mit gezogenem Gewehr auf die Gestalt los. Sie wurde auf der Stelle verhaftet, zusammen mit der übrigen Fußgruppe: einer Krankenschwester, einer Hebamme und einem Arzt. Sie wurden zum Kommandanten gebracht und der gesamte Fastnachtszug wurde auf der Stelle aufgelöst. Doch beim französischen Kommandanten klärte sich die Angelegenheit schnell auf. Anstatt Strafe gab es eine Tafel Schokolade. Soviel Aufregung, nur weil eine Frau im Zug das gleiche Kostüm anzog, mit dem sie beim Maskenball den ersten Preis gewonnen hatte!
Dr. Hildegard Brog / Dr. Reinhard Lahr
Gesellschaft Chronik
Chronik der Karnevalsgesellschaft 1827 Heimbach e.V.
Der „historische Grundstein“ für die Feier des 175-jährigen Jubiläums der KG Heimbach liegt in einem alten zerschlissenen Liederblatt von einer „Sitzung mit Damen“ aus dem Jahr 1827.
In diesem Liederblatt heißt es:
Die Väter haben uns gelehrt, wie man den Carneval verehrt. Wir folgen ihrem Beispiel nach, vergessen Sorg‘ und Ungemach. Ob’s regnet, stürmt, ob’s hagelt, schneit, ein echter Narr ist stets bereit, feiert bei Lieb, Gesang – Gesang und Wein, feiert den edlen Carneval am Rhein.
Aus diesem Text läßt sich schließen, daß seit 1827 und vermutlich bereits früher in Heimbach Carneval gefeiert wurde, denn selbst Einwohner, die zur Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts bereits 70 oder 80 Jahre alt waren, konnten sich laut Überlieferung nicht an den Ursprung der Fassenacht erinnern. Carneval wurde seit ihrer Jugendzeit gefeiert, denn es war, wie in dem Liederblatt vermerkt: Das Erbe ihrer Väter.
Bemerkenswert ist vor allem die große Zahl der wunderbaren Lieder und Gedichte schon aus dem 19. Jahrhundert, in denen in gewitzter Form das damalige zeitgeschehen glossiert wurde. Aus diesen Unterlagen geht hervor, daß die „Heimbacher Junge“, wie sie sich nannten, schon immer einen Sinn für geistreichen, geschliffenen Witz und Humor besaßen. Sie gründeten alljährlich eine neue Gesellschaft, wählten ein zeitgemäßes Motto und sorgten in den Sälen von Heimbach für lustige Unterhaltung, vor allem auf närrischen Sitzungen.
Anfangs begnügte man sich an den Fassenachtstagen mit fröhlichem Beisammensein und Tanz, doch bereits 1832 fand laut Zugprogramm ein närrischer Umzug mit einfachen Bauernleiterwagen statt, die mit Tannengrün geschmückt und teilweise von 6 Pferden gezogen wurden. Schon einige Jahre später wird vom Herumtreiben in Masken berichtet.
Aus der nachfolgenden Zeit zwischen 1848 und 1870 sind keine Unterlagen vorhanden. Obwohl während der unruhigen Revolutionsjahre wahrscheinlich kein geordnetes Vereinsleben bestand, wurde das karnevalistische Brauchtum erhalten und fortgesetzt, denn bereits 1876 fand dien Umzug statt unter dem Motto: „Nau säin mer werrer suweit“. Nach dieser Zeit kann man anhand von vielen Vorträgen und Fastnachtszeitungen die Entwicklung der Heimbach-Weiser Fassenacht bis zum heutigen Tage verfolgen. So wissen wir, daß auch die Gemeindepolitik sehr oft kritisiert wurde, unter anderem als die Gemeindeväter um 1900 sich dem Bau eines geplanten Bahnhofs der Reichsbahn widersetzten.
In alten Vereinsbüchern wird berichtet, daß die KG Heimbach im Jahre 1901 bereits 152 aktive Mitglieder zählte und daß das Zugprogramm desselben Jahres je einen Prachtwagen – für den Prinzen Johann III. (Wirz) und die Prinzessin sowie fünf Charakterwagen und 6 Reitergruppen verzeichnete. Im Jahre 1903 erfolgte eine weitere Steigerung unter dem Prinzen Heinrich I. (Maxein) mit 20 Zugnummern.
Den Bürgern von Heimbach-Weis wird auch in heutiger Zeit ein Hang zum „Separatismus“ nachgesagt. Daß diese Charaktereigenschaft nicht ganz von der Hand zu weisen ist zeigt das Thema eines Charakterwagens aus dem Jahre 1905 mit dem Thema „Eingemeindungsgebrüll“. Offensichtlich waren die Karnevalisten mit ihrem damaligen Prinzen Jakob IV. (Maxein) ihrer Zeit voraus, da das Thema 65 Jahre später Realität wurde.
Im Jahre 1909 konnte mit den Heimbacher Wirten keine Einigung erzielt werden, so daß der Zug ausfiel, es fand lediglich eine sogenannte Kappenfahrt ohne Prinzen und Wagen statt.
Nicht zu vergessen ist der Vermerk, daß die Fassenachtszüge nicht immer reibungslos zwischen den Nachbarorten abliefen. Vor allem an der Ortsgrenze zu Weis kam es beim Zusammentreffen der Züge gelegentlich zu gefährlichen Bombardierungen mit allerlei Wurfgeschossen. Zu erwähnen ist auch ein alter Brauch der Heimbacher Fassenachtsgecken, die sich alljährlich auf dem Marktplatz versammelten und ein Ausrufer zu Pferd den Dorfbewohnern die Fassenachtszeitung mit den närrischen Paragraphen vorlas. Das Volk antwortete stets mit dem Ruf „Heisi-Heisa-Heisi-Heisa, die neuen Paragraphen, die sind da“.
1914 mußte man lange suchten, bis schließlich Willi III. (Einig) als letzter Prinz vor dem 1. Weltkrieg proklamiert werden konnte. Danach trat eine Pause ein, denn das Protokoll einer Versammlung am 27.9.1919 im Lokal Krupp vermerkte, daß die KG nach einem 6jährigen Schlaf wieder neu beginnen wolle. Leider mußte man den Verlust von 40 aktiven Mitgliedern beklagen, wobei die Namen Herschbach und Hillen aufgrund großer Verdienste besonders erwähnt wurden. Obwohl in dieser Zeit Umzüge verboten waren, wurde 1922 mit dem Prinzen „August der Starke aus der Nerrergaß“ der 1. Nachkriegsumzug unter dem Motto „Mier stüüre oos net dran“ gestartet. Während der Zug lief hatte man das Auge des Gesetzes (ca. 30 Polizisten) durch eine List im Prinzenpalais eingesperrt und mit reichlich Alkohol versorgt. Diese kuriose Geschichte hatte allerdings ein gerichtliches Nachspiel, wobei Strafen zwischen 30 und 60 Reichsmark verhängt wurden. Doch trotz Strafen und Verboten wurden immer wieder Umzüge, zum Teil zu Fuß, durchgeführt. Ab 1928 ging es wieder aufwärts bis zum Höhepunkt im Jubiläumsjahr 1938. Hier startete man zu einem großen Jubiläumszug unter dem Motto „111 voll, nau würet doll“.
Ein strahlender Prinz „Peter von der Hoffmannsburg“, dessen Vater bereits 1881 Prinz gewesen war, zog bei herrlichem Wetter als letzter Prinz vor dem 2. Weltkrieg durch die Straßen von Heimbach. Obwohl während des Krieges jegliches Vereinsleben unmöglich war, wurde von den wenigen Daheimgebliebenen der Kontakt zu den Mitgliedern an den Fronten durch die sogenannten Heimatklänge aufrechterhalten. Es war ein Informationsblatt, das unter der Regie von Peter H. Fink in alle Welt verschickt wurde und überall Lob und Anerkennung fand.
Abermals war nach dem Krieg ein großer Verlust an Mitgliedern zu beklagen. Trotzdem verstand es der damalige Präsident Karl Mittler schon im Jahr 1948 einen Umzug mit dem ersten Nachkriegsprinzen „Theo vom Soiwaasem“ auf die Beine zu stellen.
1950 faßten die Gesellschaften von Heimbach und Weis den erfreulichen Beschluß, den Karnevalszug künftig gemeinsam zu gestalten. Durch die gute Zusammenarbeit beider Vorstände wurden die Züge nach und nach immer schöner und größer.
1952 feierte man das 125. Jubiläum mit einer großen Sitzung und abschließend mit einem prunkvollen Karnevalszug unter dem Prinzen „Franz von der Sternenburg“.
Im Jahr 1957 entschloß sich die KG Heimbach, zukünftig ein gleichbleibendes Vereinsmotto zu wählen. So entstand der neue Schlachtruf „Ömmer parat“, der sich bis zum heutigen Tage bewährt hat. Allerdings mußte man Abschied nehmen von einer alten Tradition von Mottos, die durch Schicksalsjahre geprägt Ausdruck von guten und schlechten Zeiten waren. Zum Beispiel 1914 „Mier wesse boröm“, 1933 „Oos lait nix dran“, 1939 „Öt wüürt ball fäin“ oder 1948 „Mier waade droff“.
Doch auch mit dem neuen Ruf „Ömmer parat“ konnte die Entwicklung der Heimbacher KG erfolgreich fortgesetzt werden. 1962 feierte man das 135. Jubiläum unter dem Motto „135 Jahre Wirtschaftshilfe“. Den Abschluß bildete ein prunkvoller Jubiläumszug mit dem Prinzen und späteren Ehrenpräsidenten Josef Preußiger.
Die erfreulicherweise immer größer und prunkvoller werdenden Umzüge verursachten leider auch immer größere Kosten. Dies brachte von Jahr zu Jahr neue Probleme. Deshalb entschloß sich die KG Heimbach ab 1971 neue Wege zu gehen und die bis dahin unrentabel gewordenen jährlichen Bazarveranstaltungen nicht mehr durchzuführen. Die letzte dieser Art war 1971 im Gasthaus Felsenkeller. Gleichzeitig wurden ab 1970 anstelle der bis dahin durchgeführten „Wanderungen zur Fuchsberghütte“ 2 Maifeste in kleinen, geliehenen Zelten am Waldbach abgehalten, die bei der Bevölkerung großen Anklang fanden. Dadurch ermutigt entschloß man sich zum Bau einer eigenen, etwa 500 Personen fassenden Halle am Waldbach.
Dieses Projekt wurde im März 1972 in Angriff genommen und bereits am 22.4.1972 war die Halle fertig. Eine Woche später, am 1. Mai des Olympiajahres 1972 wurde sie in Anwesenheit von ca. 1.000 Besuchern feierlich auf den sinnigen Namen Trinksporthalle eingeweiht. Mit dieser Leistung von Komitee und vielen Helfern wurde ein Grundstein für die zukünftige Finanzierung des Fassenachtszuges gelegt. Seit dieser Zeit bilden die Einnahmen von Maifest und Sommerfest einen wesentlichen Grundstock für die Aktivitäten der KG Heimbach.
Inzwischen war auch im Bereich des Sitzungskarnevals ein Wandel zu verzeichnen. Nachdem diese Veranstaltungen bisher auf den Sälen der Gaststätten durchgeführt wurden, konnte 1971 erstmals der damalige Prinz Appel (Herbert Sonntag) in der neuen Festhalle eingeführt werden. Seither finden alle Prinzenproklamationen und Sitzungen in diesem „närrischen Saal“ mit 750 Sitzplätzen statt. Dieser neue Rahmen für den Sitzungskarneval, insbesondere aber die Programmgestaltung ausschließlich mit ehrenamtlichen Vortragenden sorgte weiterhin für den hohen Bekanntheitsgrad der Heimbach-Weiser Fassenacht.
Um auch den Nachwuchs für den Karneval zu begeistern, werden seit 1954 auf Initiative der KG Heimbach am Fassenachtsonntag Kinderumzüge durchgeführt, die von einem Kinder-Prinzenpaar angeführt werden. Seit Beginn der siebziger Jahre werden jährlich Kindersitzungen durchgeführt, die zunächst im Saalbau Schwan und später ebenfalls in der Festhalle stattfanden.
Im Jahr 1977 stand das 150-jährige Jubiläum der KG Heimbach an. Unter Präsident Karl Gegenwarth und dem Prinzen Egon (Busch), der bereits im Jahr 1957 den närrischen Nachwuchs als Kinderprinz von Heimbach-Weis anführte, wurde mit einer Reihe von Veranstaltungen gefeiert.
Neben den unzähligen Fußgruppen sind die Heimbach-Weiser Karnevalsumzüge seit jeher für ihre phantasievollen und mit viel Liebe zum Detail gebauten Karnevalswagen bekannt. Im Lauf der Zeit wurde die Gestaltung dieser Wagen immer professioneller. Früher noch während der Wintermonate aus der Landwirtschaft geliehen, verfügt die KG Heimbach heute über eigene Fahrgestelle, auf denen die Motiv- und Prunkwagen gebaut werden. Die bis zu 8 Meter langen und 6 Meter hohen Wagen werden über 2-3 Monate von den Wagenbauern der Gesellschaft nur für den großen Umzug am Fassenachtdienstag aus Holz, Eisen, Pappmaché, Farbe und Staniolpapier gefertigt, um bereits kurz nach dem Umzug bereits wieder abgebaut zu werden. Zunächst wurden die Wagen in Feldscheunen oder größtenteils offenen Unterständen gebaut. Hier standen die Wagenbauer oftmals in Eis und Schnee, Kleister und Farbe sind nicht selten eingefroren. In den siebziger Jahren pachtete die KG Heimbach in der Schulstraße eine leerstehende Scheune an, deren Hallenfläche 1978 mit einem Anbau verdoppelt wurde. Nun bestand erstmals die Möglichkeit, 6 Wagen zentral an einer Stelle zu bauen.
Zum Ende der 80er Jahre erkannte der Vorstand der KG Heimbach, daß aufgrund des weiter steigenden Platzbedarfs eine neue Lösung notwendig wurde. So wurde der Beschluß gefaßt, eine eigene Wagenbauhalle zu errichten. Allerdings bedurfte es noch einer Vorbereitungszeit von über 3 Jahren, bis im April 1993 endlich der erste Spatenstich für die neue Wagenbauhalle durchgeführt werden konnte. In einer Bauzeit von 3 Jahren entstand am Ortsrand von Heimbach nach den Plänen des Architekten Norbert Bleit ein Domizil von bis zu 10 großen Karnevalswagen. Neben der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Neuwied und von Unternehmen und Bürgern aus Heimbach-Weis war es insbesondere der ehrenamtliche Einsatz vieler Helfer, die die Entstehung der Wagenbauhalle ermöglichten. Als optischer Leckerbissen zeigen sieben großformatige Bilder von Norbert Bleit auch nach außen, daß es sich hier um ein karnevalistisches Bauwerk handelt.
Daß das politische Weltgeschehen nicht nur von den Karnevalisten thematisiert wird, sondern auch direkten Einfluß auf das Vereinsleben der KG Heimbach hat, zeigte sich im Jahr 1991. Nach dem Beginn des Golfkrieges entbrannten im gesamten karnevalistischen Deutschland Diskussionen darüber, ob in Anbetracht der Beteiligung in Deutschland ansässiger britischer und amerikanischer Truppen überhaupt Karneval gefeiert werden könne. Diese Diskussionen gipfelten darin, daß die Vertreter aller Heimbach-Weiser Karnevalsvereine massiv bedrängt, teilweise sogar angegriffen wurden. Unter diesem öffentlichen Druck wurden nach der Proklamation von Prinz Claus I. (Keil) und Kinderprinz Kai (Poveleit) sämtliche Veranstaltungen und Umzüge abgesagt. Doch, wie schon oftmals in der Vergangenheit, ließen sich die Heimbach-Weiser nicht davon abbringen, ihre Fassenacht zu feiern. Am Karnevaldienstag 1991 trafen sich, ohne größere Absprachen, einige hundert Fassenachtsgecken, um trotzdem einen „inoffiziellen“ Karnevalszug durch die Straßen von Heimbach-Weis zu führen. Ein Novum brachten die Golfkriegswirren mit sich: Sämtliche Tollitäten blieben ein weiteres Jahr im Amt, so daß Prinz, Kinderprinz und Obermöhn Hanni auch im Jahr 1992 die Heimbach-Weiser Narrenschar regierten.
Die Arbeit für Vorstand und Mitglieder der KG Heimbach bestand nicht immer nur in der Organisation von karnevalistischen Veranstaltungen oder Festen. Eine der finanziellen Säulen des Vereins, die Trinksporthalle, wurde in den Jahren 1994 und 1997 durch das Werk von Brandstiftern ein Raub der Flammen. Viel Engagement war notwendig, um beide Male die Trinksporthalle anschließend wieder aufzubauen.
Im Jahr 1999 galt es erneut, ein Jubiläum zu feiern. Die Prinzengarde der KG Heimbach blickte auf ihr 111-jähriges Bestehen zurück. Bei einer überaus erfolgreichen Veranstaltung konnte eine Vielzahl von Exprinzen und der amtierende Prinz Martin (Hahn) den Gardisten unter dem Hauptmann der Garde und Ehrenpräsident der KG Heimbach, Hans-Erich Schmidt, zum närrischen Jubiläum gratulieren.
Den krönenden Abschluß der närrischen Session bildet alljährlich der große Umzug am Fassenachtdienstag. Mittlerweile zieht der närrische Lindwurm mit über 2.500 Zugteilnehmern, rund 20 Motiv- und Prunkwagen, 25 Musikkapellen und einer Vielzahl von Fuß- und Großfußgruppen durch die Straßen von Heimbach-Weis. Seit Jahren bereits säumen mehrere Zehntausend Besucher aus Nah und Fern die Zugstrecke, um bei diesem Spektakel mitzufeiern. Für eine noch größere überregionale Resonanz sorgte 2000 und 2001 die Live-Übertragung des Umzuges im 3. Programm des Südwestfunk-Fernsehens. Nach Aschermittwoch wurden beide Karnevalsgesellschaften aus dem gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland angesprochen.
Diese Vereinsgeschichte und mit ihr der Erfolg der KG Heimbach begründet sich in einer jahrhundertealten Tradition, welche die Begeisterung der Heimbach-Weiser für ihre Fassenacht tief verwurzelt hat. So kann heute voller Stolz auf eine 175-jährige Vereinsgeschichte zurückgeblickt werden. Für die Zukunft ist die KG Heimbach zuversichtlich, auf diesem Weg die Heimbach-Weiser Fassenacht fortzuführen.
Gründungsdokument
Sensationeller Fund für die Heimbach-Weiser „Fassenacht“
Beim Ordnen von Papieren im Haushalt seiner verstorbenen Schwiegermutter Franziska Fink stieß Richard Neckenig im Januar 2002 auf ein historisches Schriftstück, das ihn sehr verwunderte: Ein vergilbtes Blatt in Folio-Format (etwas größer als Din A 4) und in dunkler Tinte mit „Fasnacht 1827 in Heimbach“ überschrieben. Datiert ist es vom 11. Januar des Jahres und nennt 48 Männer, die sich unter dem Wahlspruch „Heimecher Männer on Junge, inz faenggen mir an“ anscheinend erstmals zusammenfinden, um Karneval zu feiern bzw. die Feierlichkeiten zu organisieren. Somit ist es das Gründungsdokument der damals ihr 175jähriges Bestehen feiernden Karnevalsgesellschaften von Heimbach und Weis – ein ganz besonderer Schatz und Zeugnis für die Bildung einer der ältesten Karnevalsgesellschaften im Rheinland.
„Außergewöhnlich ist, dass sich hier zum ersten Mal Männer aus einem Dorf trafen, um in einer organisierten Form Fastnacht zu feiern. Bei den bekannten Karnevalshochburgen, in denen sich während der 1820er Jahre Carnevalsvereine konstituierten – wie Köln im Jahre 1823, Koblenz 1824, Düsseldorf 1825 und Bonn 1826 – handelt es sich um Städte, wo sich Männer aus der Oberschicht zusammenfanden, um Karneval zu feiern“ meint Dr. Hildegard Brog, Autorin von „D’r Zoch kütt“, dem Standardwerk über die Geschichte des rheinischen Karnevals.
Sicher resultiert diese frühe Aktion auch aus einem hohen Selbstbewusstsein, das die Kirchspieler, vornehmlich die Heimbacher, an den Tag legten, um sich gegenüber obrigkeitlicher Willkür zur Wehr zu setzen. In langwierigen Prozessen stritten sie seit Jahrhunderten mit der Herrschaft, befestigten ihren Ort mit Mauern und Wällen, übten freies Marktrecht aus und richteten über „Hals, Bauch, Leib und Gut“. Hieran konnten seinerzeit weder die Grafen zu Wied oder Isenburg, noch die Abtei Rommersdorf etwas ändern.
Zurück zum Gründungsdokument. Warum wusste man bis dato nichts von der Existenz dieses Blattes ? Warum ist es nirgends erwähnt ? Fragen über Fragen. Auch altgedienten Vereinskollegen, wie z.B. Jupp Hoffmann, ist das Blatt nicht bekannt. Erinnern kann er sich jedoch daran, dass zu Beginn der 50er Jahre bei Finks auf dem Speicher das hier ruhende historische Archiv der Karnevalsgesellschaft durchforstet wurde, um es woanders unterzubringen.
Jupp Fink, bei dessen Unterlagen man den Zettel fand, war von 1948 bis 1957 Schriftführer im Heimbacher Karnevalsverein. Wahrscheinlich wollte er diesen wichtigen Beleg sicherstellen und unter seinen persönlichen Papieren deponieren, vergaß ihn jedoch über die Jahre, so dass er erst dann, pünktlich zum 175jährigen Geburtstag des Vereins, wiedergefunden wurde. Welch glücklicher Zufall !
Weitere Fragen stehen im Raum: Ist das Dokument echt, stammt es aus dem Jahr 1827 ? Haben die Personen wirklich gelebt, stimmen Vor- und Zuname sowie die Geburtsdaten ?
Dies zu klären bat der damalige Präsident der Heimbacher Karnevalsgesellschaft Jörg Schröder kurzfristig den Historiker Dr. Reinhard Lahr um Recherche. Da dieser die Lebensdaten aller zwischen 1680 und 1880 geborenen Kirchspieler in seinem PC erfasst hat, um sie seinerzeit für wissenschaftliche Zwecke auszuwerten, dürfte es für ihn nicht allzu schwierig sein. Mit detektivischer Akribie prüfte er jede Person und siehe da, bis auf eine Differenz, haben all die genannten Männer wirklich gelebt. Was ihn besonders freut ist: auch drei seiner Ur-Ur-Ur-Großväter sind darunter.
Nun zur Schrift: Die Namen sind nicht in deutschen, sondern lateinischen Lettern geschrieben, bei Eigennamen nichts ungewöhnliches. Manche Buchstaben sind verwackelt, künden also von einer gewissen Unbeholfenheit des Schreibers. „Ganz typisch für das Schriftbild der Menschen in damaliger Zeit, die nicht – wie wir heute – tagtäglich mit Texten zu tun haben“, bestätigt auch Dr. Hans-Jürgen Krüger, Archivar der fürstlich-wiedischen Bestände. Keine Frage, die Liste ist authentisch.
Wofür sie allerdings erstellt wurde, bleibt fraglich. Vielleicht zur Vorlage für die Ordnungspolizei, um das Maskentreiben auf der Straße und in Sälen anzukündigen. Deshalb auch die Nennung der Jahrgänge, jünger als 19 Jahre durfte man damals sicher nicht sein, um feucht fröhlich die „Fassenacht“ zu feiern. Der Älteste – ein Johann Hoffmann – ist 1776 geboren, der Jüngste – ein Jacob Burger aus Gladbach – im Jahre 1807. Ihr Durchschnittsalter liegt bei etwa 29 Jahren. Unter ihnen sind 28 Ehemänner und 20 Junggesellen, wovon damals 36 in Heimbach wohnten, 8 in Gladbach und 4 in Weis. Die meisten waren Landwirte, einige mit gewerblichem Nebenerwerb, darunter auch drei Gastwirte. An Handwerkern werden genannt: 3 Bäcker, 1 Krämer, 1 Lohgerber, 1 Schneider, 1 Schreiner, 2 Schuster, 1 Zimmermann. Schließlich sind auch 6 Tagelöhner darunter.
Schließlich bleibt zu fragen, wo man den Schrieb an diesem 11. Januar, einem Donnerstag, aufsetzte. Sicher in einem Gasthaus. Einer der genannten Wirte ist Michael Ebert. Er hatte sein Lokal gegenüber der Kirche (später war hier ein Lebensmittelgeschäft, heute ist hier eine Fahrschule untergebracht). Da dies der größte und zentralste Gasthof vor Ort war, liegt es nahe, dass man sich hier traf, um den Karneval in Heimbach-Weis einzuläuten.
Unterschriften der Gründungsmitglieder
Zuordnung der Unterschriften
Bemb, Johann, geb. 24.10.1803, gest. 10.09.1865, damals 23 Jahre alt
Müller und Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Billig, Johann, geb. 15.12.1788, gest. 03.12.1869, damals 38 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Burger, Jacob, geb. 26.07.1807, gest. 30.11.1854, damals 19 Jahre alt
Landwirt und Tagelöhner
damals noch ledig, in Gladbach wohnhaft
Caratiola, Johann, geb. 05.03.1799, gest. 06.03.1861, damals 27 Jahre alt
Tagelöhner
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, aus Heimbach stammend
Ebert, Johann, geb. 06.07.1805, gest. 23.08.1871, damals 21 Jahre alt
Landwirt und Tagelöhner
ledig, in Heimbach wohnhaft
Ebert, Johann, geb. 15.10.1791, gest. 09.07.1865, damals 35 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Ebert, Michael, geb. 27.09.1795, gest. 31.07.1865, damals 31 Jahre alt
Landwirt und Gastwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Engel, Johann, geb. 14.03.1801, gest. 31.01.1840, damals 25 Jahre alt
Landwirt, Tüncher und Tagelöhner
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, auch aus Gladbach stammend
Esch, Johann, geb. 02.07.1794, gest. 26.06.1885, damals 32 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Esch, Peter, geb. 19.08.1797, gest. 03.03.1863, damals 29 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Fergen, Johann, geb. 00.00.1785, gest. 13.08.1869, damals 41 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, auch aus Gladbach stammend
Fink, Jacob, geb. 23.05.1788, gest. 20.06.1832, damals 38 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft, aus Weis stammend
Gilberg, Wilhelm, geb. 10.09.1802, gest. ?, damals 24 Jahre alt
Bäcker und Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Hamm, Johann, geb. 18.11.1802, gest. 17.03.1890, damals 24 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Heimbach, Jacob, geb. 01.06.1801, gest. 23.10.1879, damals 25 Jahre alt
Landwirt, Tagelöhner, Hüttenarbeiter und Tüncher
damals noch ledig, in Weis wohnhaft, auch aus Weis stammend
Hehn, Jacob, geb. 02.09.1803, gest. ?, damals 23 Jahre alt
Landwirt
ledig, in Heimbach wohnhaft
Herschbach, Johann, geb. 13.06.1799, gest. 14.11.1861, damals 27 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Heuboth, Heinrich, geb. 17.01.1805, gest. 01.03.1850, damals 21 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Hillen, Wilhelm, geb. 06.02.1802, gest. 07.11.1861, damals 24 Jahre alt
Landwirt und Schreiner
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Hillen, Johann, geb. 13.07.1799, gest. 21.03.1835, damals 27 Jahre alt
Landwirt und Gastwirt
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, aus Heimbach stammend
Hillenbrand, Andreas, geb. 25.02.1805, gest. 29.01.1858, damals 21 Jahre alt
Bäcker
damals noch ledig, in Gladbach wohnhaft
Hisgen, Wilhelm, geb. 28.09.1783, gest. 18.08.1857, damals 43 Jahre alt
Landwirt und Schuster
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Hoefer, Wilhelm, geb. 27.08.1792, gest. 21.03.1863, damals 34 Jahre alt
Lohgerber
verheiratet, in Weis wohnhaft, aus Heimbach stammend
Hoefer, Johann, geb. 04.02.1795, gest. 18.02.1867, damals 31 Jahre alt
Tagelöhner
verheiratet, in Weis wohnhaft, aus Heimbach stammend
Hofmann, Franz Joseph, geb. 00.00.1790, gest. 25.03.1829, damals 36 Jahre alt
Gastwirt und Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Hofmann, Johann, geb. 29.10.1776, gest. 12.03.1855, damals 50 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Hunsaenger, Hubert, geb. 00.00.1795, gest. 04.11.1839, damals 31 Jahre alt
Krämer
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Kern, Peter, geb. 25.07.1788, gest. 24.09.1876, damals 38 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Kierst, Jacob, geb. 30.06.1806, gest. 14.08.1853, damals 20 Jahre alt
Tagelöhner
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Koever, Johann, geb. 28.11.1791, gest. 10.11.1871, damals 35 Jahre alt
Tagelöhner
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Kladek, Jacob, geb. 24.11.1799, gest. 03.01.1858, damals 27 Jahre alt
Tagelöhner
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Kohl, Johann, geb. 29.11.1792, gest. 21.02.1836, damals 34 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Lahr, Jacob, geb. 30.12.1789, gest. 10.10.1851, damals 37 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Maternus, Peter, geb. 27.02.1800, gest. 24.08.1868, damals 26 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Maxein, Jacob, geb. 29.01.1806 (1805 ?), gest. 03.01.1881, damals 20 Jahre alt
Zimmermann und Tagelöhner
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Meffert, Johann, geb. 14.03.1798, gest. 08.12.1876, damals 28 Jahre alt
Bäcker
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, aus Heimbach stammend
Nink, Johann, geb. 02.04.1795, gest. 06.07.1881, damals 31 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Gladbach wohnhaft, auch aus Gladbach stammend
Nink, Peter, geb. 15.06.1801, gest. 19.09.1843, damals 25 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Oberdries, Caspar, geb. 20.08.1796, gest. 21.12.1871, damals 30 Jahre alt
Tagelöhner
verheiratet, in Weis wohnhaft, aus Heimbach stammend
Rosbach, Jacob, geb. 31.10.1805, gest. 25.09.1847, damals 21 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Schlei, Johann, geb. 07.03.1795, gest. 00.00.1881, damals 31 Jahre alt
Schneider und Tagelöhner
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Wolf, Wilhelm, geb. 16.01.1807, gest. 25.11.1863, damals 19 Jahre alt
Schuster
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Winnen, Caspar, geb. 15.08.1806, gest. 05.03.1874, damals 20 Jahre alt
Landwirt und Fuhrmann
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Weinand, Johann, geb. 04.08.1805, gest. 06.08.1890, damals 21 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Wagner, Simon, geb. 28.10.1793, gest. 19.04.1859, damals 33 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Simonis, Jacob, geb. 30.12.1795, gest. 30.01.1882, damals 31 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
Schroeder, Simon, geb. 29.03.1798 (1795 ?), gest. 06.10.1861, damals 28 Jahre alt
Landwirt
verheiratet, in Heimbach wohnhaft
oder
Schroeder, Simon, geb. 29.09.1799 (1795 ?), gest. 06.04.1840, damals 27 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Schmitt, Johann Jacob, geb. 15.12.1804, gest. 25.04.1851, damals 22 Jahre alt
Landwirt
damals noch ledig, in Heimbach wohnhaft
Heimecher Maenner
on Junge –
inz faenggen mir an !
(hochdeutsch: Heimbacher Männer und Jungen, jetzt fangen wir an !)
(Donnerstag) 11. Januar 1827
Hierbei handelt es sich um das älteste Beleg der KG Heimbach, eine Liste der im Jahre 1827 Fastnacht feiernden Heimbacher.
Zum Datum: 11.01.1827
Früher begann die Karnevalssession – anders als heute – am 11. Januar.
Der 11. November wurde erst im 20. Jh. gefeiert.
Aufgeführt sind 48 Gründungsmitglieder, davon 28 Ehemänner und 20 Junggesellen
wovon damals 36 in Heimbach wohnten, 8 in Gladbach und 4 in Weis.
Der jüngste zählt 19 Jahre, der älteste 50, das mittlere Alter beträgt etwa 29 Jahre.
Die meisten Männer waren Landwirte, einige mit gewerblichem Nebenerwerb, darunter auch drei Gastwirte. An Handwerkern werden genannt: 3 Bäcker, 1 Krämer, 1 Lohgerber, 1 Schneider, 1 Schreiner, 2 Schuster, 1 Zimmermann. Schließlich sind auch 6 reine Tagelöhner darunter.
Ein besonderes Dankeschön gilt Ute und Richard Neckenig, die das Schriftstück unter den privaten Papieren von Frau Neckenigs Eltern, Franziska und Josef Fink fanden,
Jupp Fink war lange Jahre Schriftführer der KG Heimbach